«Fair steht dir – #fairhandeln für Menschenrechte weltweit», unter diesem Motto stehen die diesjährigen Fairen Wochen, die das Forum Fairer Handel e.V., Fairtrade Deutschland e.V. und der Weltladen Dachverband e.V. alljährlich veranstalten. Das ist eine gute Gelegenheit, mit Steffi Plätzer von endless & evergreen zu sprechen. Sie führt den zur Zeit einzigen Fair Fashion Laden in Soest auf der Brüderstraße.

Weltladen: Die Fairen Wochen laufen noch bis zum 30 September. Da sie deine Branche in den Mittelpunkt stellt, möchte ich dir gerne ein paar Fragen stellen.

Wie bist du auf die Idee gekommen, diese Art von Laden zu führen?

Steffi: Ich habe bei C&A gelernt und gearbeitet. Ich habe einige Filialen geführt und dann einen Burnout gehabt. Dann kam noch Rana Plaza dazu, dieses Unglück. (Anm.: Der Einsturz eines Gebäudes, in dem u.a. mehrere Textilfirmen untergebracht waren, bei dem mehr als 1000 Menschen starben)
Wenn du weißt, wo sie herkommt, kannst du die Ware nicht mehr verkaufen. Und wenn sie nicht aus dieser Fabrik ist, dann kommt sie halt aus der Nachbarfabrik. Dann habe ich ziemlich schnell gemerkt, ich muss die Seiten wechseln. Ich habe nachhaltige Entwicklung studiert. Und schon während des Studiums habe ich gemerkt, ich bin eine so schlechte Angestellte, ich muss einen eigenen Laden aufmachen. Einen Laden in der Form gibt es in Soest gar nicht. Und gerade in Kleinstädten, wo sich immer alle rausreden, online bestellen oder bei H+M kaufen zu müssen, weil es hier ja gar nichts anderes gibt, muss man mal ein Schnippchen schlagen, finde ich.

WL: Die Ausrede wolltest du ihnen allen nehmen?

Steffi: Genau. Das Ziel war immer, Bio für alle. Biofaire Kleidung für jeden Geldbeutel anzubieten.

WL: Wie schätzt du das ein, wie weit bist du auf dem Weg gekommen, bisher?

Steffi: Am ersten September gibt es den Laden seit vier Jahren. Jetzt natürlich mit den steigenden Preisen tut mir das in der Seele weh, zu wissen, dass es für viele noch weniger erschwinglich ist, als es vorher war. Es sind ja zwei Dinge. Zum einen ist da der eigene Suffizienzgedanke: Ich brauche weniger, dafür qualitativ hochwertiger. Gerade bei Teenagern, die in den letzten zehn Jahren in einer Welt groß geworden sind, in der es immer alles gibt, zu jeder Zeit, ist ihnen dieser Gedanke schwer beizubringen. Zum anderen ist es das tatsächliche Einkommen, das da fehlt.
Im Großen und Ganzen bin ich schon total zufrieden damit. Wir merken, an der großen Bandbreite, der Diversität in unserem Kundenstamm, dass wir schon viele erreichen. Jetzt mit dem Umzug natürlich noch mehr, weil hier einfach auch die Laufkundschaft hinkommt. Wir sind schon ein Spezialgeschäft, dadurch, dass wir Ökomode anbieten und wir jetzt in der Fußgängerzone noch mehr Menschen zeigen können, Ökomode ist wirklich Mode und nicht Jutekleider und Jesuslatschen. Wir merken auch extrem aus den Gesprächen mit unseren Kunden und Kundinnen, dass das Thema in den Medien viel präsenter ist, mittlerweile. Als wir damals drüben eröffnet haben, waren es sicher überwiegend die aus der Nachhaltigkeitsszene, die zu uns kamen, weil die explizit danach suchen.
Und hier merken wir, dass der Anteil von den Personen, die gezielt danach suchen, weil sie einen Fernsehbericht dazu gesehen haben, massiv gestiegen ist.

WL: Die Öffentlichkeitsarbeit hilft auch. Was ja die bessere Werbung ist. Zum Stichwort Werbung: Was mir auffällt, ist, dass in vielen Bereichen die Anbieter aus dem gesamten ökofairen Handel eigentlich die gleichen Werbemethoden anwenden, um Kunden zu binden, mit Rabatten und Stempelkärtchen, mit einer Zugehörigkeit zu einer Community, mit all diesen Methoden, wie im ganz konventionellen Handel. Wie siehst du das für dich, hältst du das für notwendig?

Steffi: Das Thema Marketing und Werbung hat oft 2. Seiten: Zum einen soll Werbung zum Kauf anregen, zum anderen müssen auch Ökolabels ihren Bekanntheitsgrad steigern. Ich denke, dass da die Ökoszene, die es eh schon schwerer hat, als die normale Szene, weil sie vorurteilsbehaftet ist, weil die Sachen teurer sind und weil man sie eben nicht an jeder Straßenecke bekommt, denke ich schon, dass das ein rechtes Mittel ist, auch normale Marketingmittel zu nutzen. Da stellt sich auch die Frage danach, ob ein Ökolabel bei Zalando gelistet sein sollte. Auf der einen Seite ist das natürlich total furchtbar, weil Zalando nichts anderes als eine Plattform ist, über die möglichst viele Klamotten möglichst schnell verkauft werden sollen, also fast Fashion. Nicht nur fast Fashion, aber auch, darum geht es ja: Die Kunden sollen kaufen, kaufen, kaufen. Wenn ein Ökolabel dort gelistet ist, und sich nur 0,5 Prozent der Käufer und Käuferinnen für ein Ökoprodukt entscheiden, entscheiden sie sich automatisch nicht für ein Fastfashion-Produkt. In meiner Generation, vor allem der unter mir, herrscht noch dieser «was kostet die Welt»-Gedanke. Sie kaufen online auf dieser konventionellen Plattform, auf der alle sind. Wenn sie dort sowas finden, kaufen sie das. Ich glaube, bis dieses Umdenken in allen Generationen stattgefunden hat, was einfach irrsinnig lange dauert, weil ein Großteil der Menschen einfach noch nicht aufgewacht ist, bleibt uns nichts anderes übrig, als auch damit zu leben, dass einige Labels zum einen auf solchen Plattformen gelistet sind, und zum anderen normale Marketingmittel benutzt werden.

WL: Was muss für dich ein Label erfüllen, damit es in deinem Angebot aufgenommen werden kann?

Steffi: Es muss eine absolut faire Lieferkette haben, Fairtrade Baumwolle allein reicht nicht. Jeder einzelne Arbeitsschritt muss zwar nicht unbedingt zertifiziert, aber glaubwürdig und transparent fair sein. Das Produkt muss ökologisch produziert worden sein, nicht nur Biobaumwolle, sondern auch Biofarbe, Bioprozesse, Biotransport. Und es muss absolute Transparenz im Unternehmen herrschen.

WL: Transport, wie sicherst du den? Das ist ja ein großes Problem.

Steffi: Genau. Also der Transport hierhin ist überhaupt nicht das Problem, die Baumwolle wächst halt hier nicht, irgendwie muss die hierhin kommen. Es geht um die Transportemissionen zwischen den einzelnen Verarbeitungsschritten. Da achten wir darauf, dass unsere Hersteller eben nicht die Biobaumwolle aus der Türkei nehmen, nach Bangladesch bringen zum Weiterverarbeiten, nach China zum Veredeln und dann nach Deutschland oder am besten noch irgendwo nach Osteuropa in irgendein Zentrallager bringen. Die Baumwolle soll da, wo sie geerntet wird, möglichst weiterverarbeitet werden oder nah bei. So sollen zum einen die Transportemissionen während der Produktion gering gehalten werden, und zum anderen soll die Wertschöpfung für das Produktionsland möglichst hoch sein. Mehr können wir das nicht absichern. Die Messen sind unfassbar wichtig, dort sind wir mit unseren Herstellern und Lieferanten im Dialog. Dort sind die Menschen, die diese Firmen mit aufgebaut haben. Die sind vor Ort in Indien, die sind vor Ort in China. Die versuchen natürlich auch so wenig wie möglich hinzufliegen, nichtsdestotrotz müssen sie eben manchmal dahin.

WL: Du hast es dargestellt, welche nachvollziehbaren Kriterien ein Kleidungsstück vom Anbau, bis es bei dir im Laden liegt, durchlaufen muss. Wärst du auch bereit, Kompromisse einzugehen, beispielsweise für einen Betrieb, der noch in der Umstellung oder im Aufbau ist, also auch noch nicht unbedingt zertifiziert sein kann?

Steffi: Ja. Kompromisse gehen wir jeden Tag ungefähr eine Million Mal ein. Wir haben Firmen gelistet, die nicht zertifiziert sind, weil die Zertifizierung einfach irrsinnig teuer ist. Da geht es nicht mal nur um die Fairtrade-Zertifizierung. Die GOTS-Zertifizierung –  Global Organic Textstile Standard, diese T-Shirts auf grünem Grund – ist sehr, sehr teuer, dafür muss die gesamte Lieferkette zertifiziert sein. Da haben wir vollstes Verständnis, dass gerade kleine Labels, die im Aufbau sind oder in der Umstellung, sich das einfach nicht leisten können. Nichtsdestotrotz geht es, wie ich eben schon gesagt habe, um die drei wichtigsten Kriterien: Transparenz, Fairness und ökologische Produktion, weil wir unseren Kunden das hier garantieren. Das heißt wenn eine junge Frau aus Berlin, die ihr eigens Label gegründet hat, sagt, das ist alles Bio, das wird in Portugal genäht, wir sind aber noch nicht zertifiziert, weil ich noch nicht einmal eigene Mitarbeiter habe, und sie kann mir das belegen, dann gebe ich ihr natürlich auch gerne eine Chance.

WL: Da klingt das Zusammenspiel der Akteure mit, das notwendig ist, sich letztendlich gegenseitig zu unterstützen und nicht zu versuchen den günstigsten Einkaufspreis herauszuquetschen. Du hast schon an anderer Stelle angesprochen, wie hart die letzten zwei Jahre für so ziemlich alle Menschen weltweit waren, für die einen mehr, für die anderen weniger. Mir ist immer noch eine der schmerzlichsten Nachrichten in diesem Zusammenhang in Erinnerung: Ich habe von teuren Labels gelesen die ihre Bestellungen schon im Frühjahr in den Nähereien in Bangladesch storniert haben, selbst die, die schon in der Produktion waren. Einer großen Marke ist vorgerechnet worden, dass es für sie, wenn sie nicht storniert hätten, eine Gewinneinbuße von zwei Prozent bedeutet hätte, während durch die Stornierung unzähligen Menschen die Lebensgrundlage zerstört wurde. Zudem sind viele Firmen bankrott, für die diese Menschen eh für einen kläglichen Lohn arbeiten mussten. Was du ja auch beschreibst, ist ja eigentlich, dass es ohne das Zusammenstehen nicht geht. Im Fairen Handel wird versucht, die Folgen gemeinsam zu tragen und so gering, wie möglich für alle Beteiligten zu halten. Kannst du etwas dazu sagen, wie sich das in deiner Branche in den letzten zwei Jahren ausgewirkt hat?

Steffi: Also zunächst teilten mir andere Einzelhändlern hier in Soest mit, sie hätten erstmal die nächste Winterkollektion storniert. Also, natürlich keine Ökohändler. Ich habe abends zu Hause zu meinem Mann gesagt, ich storniere nichts. Keine einzige Hose werde ich stornieren. Selbst, wenn ich mein ganzes Geld in die Kollektion schieße, die wir geordert haben – wir ordern ja neun oder zehn Monate im Voraus – wir haben nichts storniert und haben alles komplett bezahlt. Weil wir eben gesagt haben –  selbst wenn wir hier nichts haben, haben wir mehr als die Menschen entlang der Lieferkette. Das ist natürlich auch im Ökosektor so. Selbst die Menschen, die unter fairen Bedingungen, also anständigen Bedingungen, auch über Mindestlohn, auch über Existenzlohn in Bangladesch bezahlt werden, sind dennoch keine reichen Menschen.

WL: Sie haben den Puffer nicht.

Steffi: Genau. Sie haben absolut null Puffer. Das gilt auch für Tunesien, das gilt auch für die Türkei, das gilt auch für alle anderen Länder, wo Baumwolle angebaut wird und wo die Menschen seit Jahrhunderten Textilien produzieren.
Mein Partner hat mich da total unterstützt. Es war ja deine Frage, wie es in meiner Branche war. Viele haben gekämpft, viele sind untergegangen, viele, die aber auch schon vorher – wie sagt man – spitz auf Knopf kalkulieren mussten. Ich bin gelernte BWLerin. Ich bin Handelsfachwirtin, ich habe gelernt, ein Geschäft zu führen. Viele, die Ökoläden haben, machen das ja einfach aus einer Überzeugung heraus, was dazu führt, dass sie eigentlich branchenfremd sind, vielleicht nicht über das Fachwissen verfügen und daher eventuell an ihre Grenzen stoßen. Manchmal sind es aber auch banale Dinge: Es fehlen einfach die Kunden. Dann fehlt der Umsatz, die haben manchmal Nullsummentage, müssen dennoch teure Miete bezahlen, müssen trotzdem die Ware bezahlen, müssen trotzdem Steuern bezahlen und Personal bezahlen, die müssen ihre Krankenversicherung bezahlen und sonst was. Das Letzte, wofür man dann Geld über hat, ist Werbung um den Bekanntheitsgrad zu steigern. Deswegen weiß ich, dass es für manche in den letzten zwei Jahre ziemlich schwer war, aber ich glaube, viele sind auch sehr gestärkt daraus gegangen, weil man merkt, dass gerade die Stammkundschaft einem unfassbar treu geblieben ist, in der Zeit. Und ich denke, ein großer Vorteil von ökofairen Läden, Weltläden und sonst was, zu konventionellen Läden ist, dass sie eben nicht auf Masse setzen, sondern eben auf das suffiziente Kaufverhalten der Kunden und Kundinnen, die vielleicht nur alle zwei Jahre reinkommen, weil dann T-Shirts durch sind und die zwei Jeans, die sie rauf und runter tragen, bis sie durch sind, aber die kommen. Die sind dann erst recht gekommen, weil sie Angst hatten, dass die Läden es nicht überleben könnten.
Wir haben im Lockdown einen Lieferservice gehabt. Wir haben eine Auswahl geliefert, ohne Anzahlung. Es war völlige Vertrauensbasis, teilweise da 1500 Euro Wert in einen Karton zu packen und vor eine Haustür zu stellen. Ich glaube, das empowert, wenn man weiß, die stehen hinter mir. Ich mache das hier richtig und die wollen, dass ich das mache. Und dadurch, dass man auf Klasse statt auf Masse setzt, ist das Unternehmen wesentlich resilienter und kann dadurch mit Krisen besser umgehen, weil man  versucht, die Kosten möglichst gering zu halten. Man hat einen Grünstromanbieter, man hat Energiesparlampen, das sind ja alles Posten, die dafür sorgen, dass man geringere Kosten hat als Ökoladen. Man hat ja nicht nur Ökomode, man hat in der Regel auch eine Ökobank, da hat man seinen Berater, den ruft man an – ich kann nicht zahlen, ich muss warten – kein Problem, zahl halt nächsten Monat. Das ist diese nachhaltige Community, die diese Werte eben auch trägt und lebt.

WL: Der Dank dafür, dass du nicht storniert hast.

Steffi: Genau. Das denke ich mir immer wieder. So schwer es denn auch manchmal ist. Ich habe mir ein Jahr kein Gehalt ausgezahlt. Ein Jahr lang musste mein Mann alles für mich zahlen. Aber man kämpft für die Sache. Ich glaube, wenn man nicht so ein materialistischer Mensch ist, wenn die Sache die Rolle spielt und nicht das Geld, dann ist das eher nebensächlich.

WL: Ja, die Basis, die man erhalten will, die ist entscheidend.

Steffi: Viele würden jetzt sagen – mein Gott, was für Gutmenschen. Aber in einer anderen Welt will ich eigentlich nicht leben.

WL: Die Alternative wäre gewesen, den Laden dicht zu machen?

Steffi: Zu keiner Zeit war unsere Existenz bedroht, vermutlich, selbst wenn ich mir Gehalt ausgezahlt hätte. Ich wäre mir blöd dabei vorgekommen. Ich habe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Es geht ja auch um einen fairen Umgang mit die Menschen im eigenen Unternehmen, die von einem abhängig sind, nicht nur entlang der Lieferkette.

WL: Du hast schon einiges dazu gesagt, vielleicht trotzdem noch mal zwei Sätze: Wie wird der Laden in der Stadt angenommen?

Steffi: Gut, sehr gut. Wir hören nie – was ist das denn? Nur – wie cool ist das denn? Euch habe ich ja noch nie gesehen, seit wann gibt es euch denn? Und jetzt dank des neun-Euro-Tickets sind so viele Menschen in die Stadt gekommen, weil die aus dem Bahnhof ausgespuckt wurden. Wir sind die erste Anlaufstelle, die freuen sich. Eigentlich immer positiv.

WL: Hast du irgendeine schöne, kuriose, besondere Begegnung, von der du erzählen möchtest?

Steffi: Ich glaube, da gibt es gar keine einzelne Begebenheit, weil wir die hier jeden Tag haben, würde ich sagen. Das ist, glaube ich, auch der Puls des Einzelhandels. Viele Begegnungen sind kurios und die meisten sind aber einfach nur nett. Da passieren wirklich solche Geschichten, dass man eineinhalb Stunden mit wildfremden Menschen – im alten Laden noch – auf der Stufe versackt und Limo und Bier trinkt, oder die sonst wo trifft, mit Klamotten aus dem Laden an.

WL: Das freut dich dann schon, wenn du deine Sachen aus dem Laden erkennst, getragen von Leuten ...

Steffi: Ja klar, das ist ja das Zeichen dafür, dass der normale Mensch Ökomode trägt und Ökomode halt alltags- und salonfähig geworden ist und nicht mehr nur von einem bestimmten Schlag Mensch getragen wird, sondern von allen.

WL: Was wünschst du dir für den Laden?

Steffi: Zufriedene Kunden und Mitarbeiter.

WL: Und für die Stadt?

Steffi: Erwachen!
Wenn es nach mir ginge, müsste die Stadt nicht mal mehr was ins Marketing oder sonst irgendwelche Projekte stecken, sondern in eine Stadtbegrünung, damit wir hier auch in den Monaten Juli und August einigermaßen atmen können. Dieser Sommer hat es nochmal gezeigt, Soest ist ein Kessel und Beschattung fehlt überall.

WL: Aus der Zelle deines Ladens heraus hast du beschrieben, wie sehr alle Dinge im Leben miteinander verzahnt sind. Und du hast deutlich gemacht, wie sehr jede Handlung und Nichthandlung auf andere und etwas anderes wirkt. Dem kann man sich gar nicht entziehen. So könnten wir die Chance nutzen, uns zu überlegen, was wir erreichen wollen und gezielt zu handeln.

Steffi:  ... schöne Worte ...

WL: Ja, das war eher ein Statement. Hast du zum Abschluss noch etwas, was du noch mitteilen möchtest?

Steffi: Ich glaube, ich habe alles gesagt.

WL: Dann danke ich dir recht herzlich für die Zeit und für das nette Gespräch.

Homepage der Fairen Woche

Das Problem ist nicht, dass wir mehr Wohlstand wollen. Das Problem ist, dass wir Wohlstand durch materiellen Besitz definieren.

(Dennis Meadows, Ökonom. Mit seiner rechnergestützten Simulation zeigte er «die Grenzen des Wachstums», eine vom Club of Rome beauftragte Studie, die er 1972 unter eben diesem Titel veröffentlichte, zusammen mit Donella Meadows und Jørgen Randers.)

Faire Wochen vom 16.–30. September 2022

Die Fairen Wochen stehen vor der Tür, die alljährlich vom Forum Fairer Handel e.V., Fairtrade Deutschland e.V. und dem Weltladen Dachverband e.V. in der zweiten Septemberhälfte veranstaltet wird. Unter der Überschrift «Fair steht dir – #fairhandeln für Menschenrechte weltweit», wird das 8. SDG-Ziel der UNO ein weiteres Mal bearbeitet. Darin geht es um die Förderung von dauerhaftem, breitenwirksamem und nachhaltigem Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle. Konkret wird im ganzen Land der Blick auf menschenwürdige Arbeitsbedingungen und nachhaltiges Wirtschaften in der Textil-Lieferkette gerichtet.

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung erläutert auf der eigens für die 17 UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung eingerichteten Seite jedes Ziel, also auch das SDG 8. Danach leben 650 Millionen Menschen in Armut, obwohl sie arbeiten. 40 Millionen Menschen müssen als moderne Sklaven in der Landwirtschaft, der Textilindustrie oder der Rohstoffgewinnung arbeiten. Unter den aktuellen Bedingungen in den Produktionsketten ist es schwer, Zwangsarbeit in den Produkten auszumachen.
150 Millionen Kinder zwischen 5 und 14 Jahren müssen laut UNICEF weltweit unter extremen, gefährlichen und ausbeuterischen Bedingungen arbeiten, weil ihre Eltern nur Hungerlöhne für ihre Arbeit nach Hause bringen können. Die meisten Kinder, die Arbeiten verrichten, die ihrer körperlichen und geistigen Entwicklung schaden und die Umwelt belasten, leben in Afrika, gefolgt von Asien.
Auch die Schattenwirtschaft, also Schwarzarbeit und Kriminalität, verhindert das Ziel der menschenwürdigen Arbeit für alle, weltweit, auch in Deutschland. Und während der Covid-19-Pandemie verloren Millionen Menschen ihre Arbeit und damit ihre Lebensgrundlage, 1,5 Milliarden Menschen in der informellen Wirtschaft fehlt jeder Schutz bei Krankheit oder Schließung.

Das alles geschieht im Rahmen des materiellen Wohlstandes auf überhöhtem Niveau in den reichen Industrieländern. Um Deutschlands Ressourcenverbrauch zu decken, wären mehrere Erden notwendig. Um nachhaltiges Wirtschaften und nachhaltiges Konsumieren kommen wir also nicht herum. Beides wird nachhaltige Auswirkungen auf die Arbeitsverhältnisse haben.

Aber: Das alles ist kein Selbstläufer. Wir sind dieser Situation nicht ausgeliefert. Der Faire Handel bietet die Basis für einen anderen Umgang, der die Arbeits- und Lebensverhältnisse auf anständige und sichere Füße für alle stellen kann. So zeigt sich gerade während der Corona-Pandemie, wie ehrliche Lastenverteilung Existenzen sichern kann.

Der So-Fair-Blog geht bis zum 07.09.2022 in die Sommerpause. Wir wünschen allen Lesesern eine gute Zeit.

Es geht noch einmal um Kinderarbeit, die Folgen – und um wirkungsvolle Auswege daraus.

Wenn sich Menschen auf den Weg machen

Seit 1993 Arbeitet der genossenschaftlich organisierte Fair-Trade-Großhändler Weltpartner mit dem Kinderschutzzentrum Preda auf den Philippinen zusammen. In dem Kinderheim leben sexuell missbrauchte Mädchen und Knast-Kinder – Straßenkinder, meist Jungen – die aus nichtigen Gründen unter miserablen Umständen im Gefängnis sitzen.
Preda wurde 1974 von Pater Shay Cullen gegründet, der noch immer aktiv für die Kinder kämpft. Hinter seinem Engagement steht die Überzeugung, dass Kinder wegen der bitteren Armut ihrer Eltern auf der Straße landen und dort schutzlos ausgeliefert sind. Preda bietet den Kindern Schutz, Geborgenheit, Anerkennung und Respekt. Hier können sie zum ersten Mal Kind sein. Neben der Trauma-Arbeit können sie endlich zur Schule gehen und so die Grundlage schaffen, aus der Dauerschleife der Armut auszubrechen.
Damit Kinder gar nicht erst in diese Situation geraten, müssen ihre Eltern die Armut überwinden können – und das geht, wieder Mal, über den fairen Handel, wie das Mango-Projekt zeigt, in dem Preda und Weltpartner seit dreißzig Jahren zusammenarbeiten.
Für etwa 500 Kleinbauernfamilien ist der Mango-Anbau im Rahmen dieses Projektes zu einer wichtigen Einnahmequelle geworden. Hohe Erzeugerpreise und die Abnahme der Früchte sind ihnen sicher, so müssen sie sich nicht um die Vermarktung kümmern und B-Ware und kleine Früchte werden vor Ort zu Mangopüree verarbeitet, erzielen also auch noch einmal angemessene Preise. Preda bezahlt am Jahresende Boni aus und stellt Mango-Setzlinge bereit. Auf diese Weise finden die Kleinbauern wieder lebenswerte Perspektiven auf dem Land, Landflucht wird verhindert und der Ausweg aus dem Armutskreislauf ist sichtbar. Ohne solche Perspektiven landen viele Kinder in der Kinderprostitution in Manila.
Pater Shay Cullen rechnet vor, dass der Erlös aus einem größeren Mangobaum reicht, um zwei Kinder ein Jahr lang zur Schule zu schicken, mit allen damit verbundenen Kosten.
Preda kümmert sich also um die Betreuung der Bauern, die Abwicklung mit dem Verarbeiter und den Verkauf an Weltpartner. Weltpartner übernimmt dann die Entwicklung der Produkte, den Import und Verkauf. Dazu stellt er Infomaterial zur Verfügung. 10 Prozent des Verkaufspreises bleiben bei Preda.

Nach einem Tatort-Dreh in den Philippinen gründeten die Kölner Tatort-Kommissardarsteller Dietmar Bär und Klaus J. Behrendt 1998 den Verein Tatort-Straßen der Welt.e.V. und unterstützen seit dem die Kinderschutzorganisation Preda. Doch der Aktionsraum des Vereins hat sich längst erweitert.

Das Mango-Projekt ist ein beeindruckendes Beispiel dafür, dass es der faire Umgang miteinander ist, der Menschen vor existenziellen Katastrophen mit allen verheerenden Folgen schützen kann – und auch, was das gemeinsame Engagement mehrer Akteure bewirken kann.

Unter diesen Links gibt weitere Informationen zu dem Projekt, unter anderem auch einen 20-minütigen Film.

Weltpartner
Tatort-Straßen der Welt e.V .

Am 12. Juni soll mit dem Tag der Kinderarbeit an zurzeit mehr als 160 Millionen Kinder erinnert werden, die Arbeit in Art und Ausmaß leisten, die ihrer Entwicklung, Bildung und ihrer Gesundheit schaden.

Kinderarbeit

Im Vorfeld zum Tag der Kinderarbeit am 12. Juni tagte Mitte Mai zum fünften Mal die «Global Conference on the Elimination of Child Labour» in Durban in Südafrika. Kinderarbeit zu bekämpfen – dazu haben sich bereits 1999 alle 193 UN-Mitgliedsstaaten bis 2030 verpflichtet. Enthalten ist die Verpflichtung im 8. der 17 UN-Nachhaltigkeitsziele, das für menschenwürdige Arbeit und nachhaltiges Wirtschaftswachstum steht. Doch das Ziel liegt noch weit entfernt. Inzwischen sogar noch weiter, nachdem sie in den letzten zwanzig Jahren nach und nach zurückging, kehrt sich der Prozess laut ILO – der Internationalen Arbeiter Organisation – allmählich um. Dabei geht es um teils schwere bis gefährliche Arbeit in der Landwirtschaft, dem Bergbau und in der Textilindustrie. Grund dafür, dass über 160 Millionen Kinder arbeiten, sind Bevölkerungswachstum, wiederkehrende Krisen, extreme Armut – die durch die Covid-19-Pandemie verstärkt wird – und unzureichende soziale Absicherung.
Auf der Konferenz in Durban diskutierten die Teilnehmer in den Bereichen Landwirtschaft, Klimawandel, Bildung, globale Lieferketten – und welchen Beitrag sie zur Kinderarbeit leisten.
Zum ersten Mal erhielten Kinder ihr eigenes Gremium, denn schließlich geht es um sie. Als grundlegende Ursachen dafür, dass so viele Kinder Arbeiten müssen, benennen sie Armut und die Arbeitslosigkeit der Eltern. Einer, der es dank eines Stipendiums geschafft hat, der Arbeit als Kind zu entkommen und zu studieren, ist heute Anwalt, wie er sagt, für die Kinder, die auf ihn gefolgt sind. Wir müssen jetzt handeln – sagt er – die Kinder können nicht warten, sie brauchen jetzt ihre Rechte!

Die Akteure des fairen Handels bemühen sich seit Jahrzehnten genau darum: Faire Arbeitsbedingungen und Lebensperspektiven, gerade für die Menschen im globalen Süden, dort, wo die meisten Kinder arbeiten müssen, um ihre Familien zu unterstützen, statt zur Schule zu gehen. Dabei  – um es noch einmal zu betonen – spielt Bildung die entscheidende Rolle, der Armut zu entkommen. Also führt der direkte Weg zum Erfolg über den Kampf gegen Armut. Dafür brauchen die Menschen eine sichere Lebensgrundlage. Um das auf breiter Ebene zu erreichen, braucht es endlich ein Wirtschaften, von dem alle profitieren. Was dazu nötig ist, gibt es alles längst.

DW
Konferenzbericht
ILO
BPB
Afrika Online-Magazin