Warum der Faire Handel so wichtig ist

Seit den Hungermärschen der 70er Jahre, die der Beginn der Weltladenbewegung waren, ist viel passiert, was auf das unermüdliche Engagement vieler Menschen in den letzten 50 Jahren zurückzuführen ist. Die aktuelle Situation zeigt aber auch, wie viel noch nötig ist – und zwar in viel kürzerer Zeit. Was wäre möglich, wenn ein fairer Handel mit allen daran hängenden Aspekten – wie der Unterstützung der Produzent*innen in vom Klimawandel längst und stärker betroffenen Regionen – zum Standard würde – und nicht nur, wie aktuell – 1 Prozent des Handels ausmachte. Beim Kaffee sind es 7 Prozent, ein Drittel des gesamten Fairen Handels. Die Zahlen zeigen, wie weit wir allein vom 12. UN-Nachhaltigkeitsziel, nachhaltiger Konsum und nachhaltige Produktion, entfernt sind. Das Lieferkettengesetz ist ein wichtiger Schritt, der den Anfang einer längst notwendigen Entwicklung markiert.

Der Earth Overshoot Day lag 1990 noch am 7. Dezember, 2019 schon am 29. Juli. Das ist also der Tag, an dem das Angebot für nachwachsende Rohstoffe verbraucht und die Kapazität der Erde, diese wieder aufzubauen, erschöpft ist. Würden alle Länder so viel verbrauchen, wie Deutschland wären 3 Erden notwendig. Dass die Menschheit weltweit betrachtet, eineinhalb Erden verbraucht, liegt an den vielen Ländern, die weit unter ihrem Budget verbrauchen. Darauf baut der Wohlstand der reichen Länder auf.

Die Industrie- und Schwellenländer haben ihre Märkte solange mit Zöllen geschützt, bis sie stark genug für den Freihandel waren. Armen Ländern wird das nicht zugestanden, wie das Beispiel Ghana zeigt: Im Jahr 2000 hebt Ghana auf Druck des IWF die Importzölle auf ausländische Produkte auf. In der Folge wird das Land von subventionierten billigen Tomatenkonserven aus der EU geflutet. Dagegen kann sich der eigene Anbau und die Verarbeitung ihres Grundnahrungsmittels nicht behaupten. In der Folge sehen viele Menschen ihre einzige Chance in der lebensgefährlichen Flucht über das Mittelmeer, um in Südeuropa auf den Tomaten- und Orangenplantagen ausgebeutet zu werden.

Wie wäre es, den Fairen Handel nicht als Luxus zu betrachten.

Das Buch «Fair for Future» von Gerd und Katharina Nikoleit, im CH.Links Verlag 2021erschienen, erzählt die Geschichte des Fairen Handels von den Anfängen bis heute und bietet einen Ausblick.

Ernährungssysteme II – Landgrabbing

Landgrabbing ist der Erwerb von fruchtbarem Ackerland durch Investoren. Diese Aneignung, um Profite zu generieren, macht nicht nur das Leben der Produzent*innen in Afrika schwer. In der Folge können sich Kleinerzeuger*innen und Junglandwirt*innen die Pacht nicht leisten.

«Brot für die Welt» sieht im zunehmenden Ausverkauf von Land eine wichtige Fluchtursache. Menschen werden von ihrem Land vertrieben und damit ihrer Lebensgrundlage beraubt. Oft bleibt nur Migration oder Flucht. Darum fordert das Netzwerk, die Verantwortung für Menschenrechtsverletzungen und allen Folgen zu übernehmen. Die deutsche Rohstoff-, Wirtschafts-, Klima-, Energie-, Handels und Agrarpolitik soll auf alle negativen Folgen überprüft und so verändert werden, dass sie sich nicht an Menschenrechtsverletzungen und Vertreibungen beteiligt. Unternehmen sollen für die Vertreibung zur Rechenschaft gezogen werden. Es soll keine öffentlichen Fördergelder für Großprojekte geben, die in Land investieren. Daraus resultiert die Forderung nach einer anderen Landpolitik, die nicht zu neuen Konflikten führt. Landgrabbing muss also unterbunden und Fluchtursachen angegangen werden.

Der Ausverkauf von ostdeutschem Agrarland ist gerade durch neue Grundsätze für den Umgang mit staatseigenem Ackerboden gestoppt worden. Flächen werden nun nur noch verpachtet; für die Vergabe gelten Kriterien der Nachhaltigkeit, der Ökologie und Agrarstruktur. Letztere soll Junglandwirt*innen, Existenzgründer*innen und dem ökologischen Anbau den Zugang zu Land erleichtern. Es werden Bewirtschaftungsweisen bevorzugt, die Biodiversität, Klimaschutz und artgerechte Tierhaltung fördern.

Solche Regeln können die Wirkung von Engagement stärken, das längst da ist, wie das der mosambikanischen Kleinbauernorganisation UNAC, die ihre Mitglieder bei der Vermehrung ihres traditionellen, dürreresistenten Saatgutes unterstützt, Tauschbörsen organisiert und so Widerstand gegen das Hochleistungssaatgut von Bayer/Monsanto leistet. Außerdem ist sie Teil einer internationalen Bewegung für Ernährungssouveränität, für das Recht auf selbstbestimmte Landwirtschaft und Ernährung.

Für einen erfolgreichen Umbau der Landwirtschaft, die tatsächlich die Menschen ernährt und nicht Konzernen Profite beschert, müssen also die Rechte der Kleinerzeuger*innen gestärkt werden.

Die neue EU-Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten ist seit dem 30. Juni 2023 in Kraft. Danach darf in der EU nicht mehr mit Produkten, wie Soja, Ölpalme, Rindern, Kaffee, Kakao, Kautschuk und Holz oder Produkten daraus gehandelt werden, wenn dafür nach dem 31. Dezember 2020 Wald gerodet wurde.

Neue Fairtrade-Standards für den Kaffeeanbau
 
Darauf folgen nun auch neue Fairtrade-Standards für Walderhalt im Kaffeeanbau, deren Stichtag für die Entwaldung ist der 1. Januar 2014. Kaffee, der auf Flächen angebaut wird, die danach entwaldet wurden, können kein Fairtrade-Siegel mehr erhalten. Für die Transparenz müssen Farmen über Geopunkte ihrer Anbauflächen verfügen – je größer die Flächen, desto detaillierter müssen die Angaben sein. Gefordert ist auch ein Überwachungs- und Managementplan für die biologische Vielfalt. Das ist mehr, als die EU-Verordnung verlangt.

Neu ist auch, dass die Kaffeekooperativen einen Präventions- und Risikominderungsplan entwickeln. Um den Walderhalt zu überwachen, gibt es eine Partnerschaft zwischen Fairtrade und dem Geoinformationsunternehmen Satelligence. Durch den Zugriff auf erforderliche Daten kann auf Risiken reagiert werden.

Der aktualisierte Standard gilt ab 2026, dann betrifft er 870.000 Fairtrade-Kaffeebauern und 1,1 Millionen Hektar Land.

Wie kommen Fairtrade-Standards zustande?

Alle relevanten Interessensgruppen sind beteiligt, einschließlich der Bäuer*innen und Landarbeiter*innen. Es setzt sich ein Komitee aus den drei Fairtrade-Produzentennetzwerken zusammen, dem CALC für Lateinamerika und die Karibik, dem NAPP für Asien und Fairtrade Africa. So sollen bei allen Entscheidungen die Ansichten aller relevanten Interessengruppen berücksichtigt werden und gleichzeitig wird sichergestellt, dass sie im Einklang mit dem Auftrag und den Grundsatzerklärungen von Fairtrade-international stehen.

Zuletzt ging es an dieser Stelle um erste Einblicke in das Thema Agrarökologie als landwirtschaftliche Struktur. Die Landwirtschaft lässt sich aber kaum ohne das gesamte Ernährungssystem umstellen.

Was bedeutet «Ernährungssystem»

Das Ernährungssystem umfasst alle Bereiche, die an der Ernährung beteiligt sind, geht also weit über die Landwirtschaft hinaus.

Linear betrachtet, beginnt das Ernährungssystem bei der Erzeugung, geht weiter über die Verarbeitung, Verteilung und die Zubereitung.

Dazu gehören aber auch Wissenschaft, die etwa an Saatgut oder Anbausystemen forscht, Gewerkschaften, die sich für bessere Arbeitsbedingungen einsetzen, Politiker*innen, die Gesetze und Regeln machen – wie die, zur Verteilung von Agrarsubventionen – zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich etwa für Umweltschutz, Klimaschutz oder für einen fairen Handel engagieren und Agrarchemiekonzerne, die weiter chemische Substanzen entwickeln, wie etwa für Pestizide.

Die Marktmacht der Konzerne im Agrar- und Ernährungssektor ist gewaltig, so kontrollieren vier Supermarktketten in Deutschland 85 Prozent des Lebensmittelhandels. So können sie Erzeugerpreise immer weiter drücken, da die Produzenten kaum Absatzalternativen finden.

Diese Auswahl zeigt, dass eine unbedingt nötige Transformation der Landwirtschaft ohne alle angrenzenden Bereiche gar nicht gelingen kann.

Was ist zu tun?

Wir können Kaufentscheidungen treffen, das wirkt allerdings begrenzt. Darüber hinaus können wir durch zivilgesellschaftliches Engagement Gesetzte für faire Handelspraktiken fordern, die Unternehmen in die Pflicht nehmen. Die Fusionskontrolle ist zum Beispiel zu schwach in Deutschland und der EU, da ist Potenzial, um die Marktmacht einzelner Konzerne nicht noch weiter wachsen zu lassen.

Der Verein Du-bist-hier-der-Chef organisiert Umfragen zu einzelnen Produkten, in denen Verbraucher*innen selbst über Herkunft, Qualität, Verpackung oder Vergütung für die Landwirt*innen entscheiden – so konzipieren sie die idealen Lebensmittel. Für die Umsetzung werden Partner gewonnen. Einige Produkte sind inzwischen unter dieser Marke in Supermärkten zu finden.

Der INKOTA-Netzwerk e.V.

Mit dem Jahresthema «Erde gut, alles gut» von Fairtrade Deutschland steht die Klimakrise mit all ihren Auswirkungen und die Ernährungssicherheit der Menschheit im Fokus. Ein großer Teil der Lösung liegt in der Agrarökologie.

Erde gut, alles gut – es geht weiter

Agrarökologie bedeutet Anpassung an Standortbedingungen und die Unabhängigkeit von klimaschädlichen und teuren Agrarchemieprodukten. Böden und Klima werden geschont, die Artenvielfalt gefördert und den Landwirt*nnen ermöglicht sie ein faires Einkommen.

Pestizide und synthetische Dünger verstärken die Abhängigkeit der Landwirt*innen von Konzernen. Diese Abhängigkeit wird durch die Gentechnik weiter verschärft, denn gentechnisch manipuliertes Saatgut, das gegen Herbizide unempfindlich ist, treibt die Patentierung von Pflanzen voran und verstärkt den Einsatz von Pestiziden, die wahllos Tiere, Pflanzen, Böden und Menschen vergiften. Synthetische Dünger zerstören die Böden, belasten das Grundwasser und tragen bedeutend zur Klimakrise bei, da sie in der Herstellung besonders energieintensiv sind. Und noch immer sind Arbeiter*innen dem Einsatz von Pestiziden während der Arbeit in den Plantagen ausgesetzt, wodurch sie dauerhaft krank werden können.

Eine agrarökologische Landwirtschaft ist krisensicher, weil sie nicht so kostenintensiv ist und Menschen, Umwelt und Klima nicht belastet. Und die Menschen profitieren von einer neuen Vielfalt gesunder, lokaler Nahrungsmittel.

Wie sooft ist hier wieder zu sehen – die Lösungen für all die Krisen sind da.

Der INKOTA-Netzwerk e.V. fordert aktuell zumindest den Exportstopp von Pestiziden, die in der EU längst aus gutem Grund verboten sind, da sie besonders giftig für Mensch und Natur sind. Der Appell kann hier unterschrieben werden.